Galvanotechnik 8/2017
Interview mit Michael Barz, Geschäftsführer der Dipsol Europe GmbH, Düsseldorf
Unser Interviewpartner Michael Barz leitet die Dipsol Europe GmbHMit der Dipsol Europe GmbH wurde im Juli 2016 ein neues Unternehmen gegründet, das die beschichtende Industrie Europas mit Produkten rund um den kathodischen Korrosionsschutz versorgt. Entwickelt werden diese Produkte von der japanischen Muttergesellschaft, die seit rund 60 Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet sammelt. Produziert wird vor Ort in Deutschland. Im Fokus: Zulieferer für die Automobilindustrie, daneben aber auch Maschinenbau, Luft- und Raumfahrt, Elektronik und weitere Industriezweige.
Heinz Käsinger: Herr Barz, Ihre japanische Mutterfirma operiert schon seit rund 60 Jahren am Markt und ist in zahlreichen Ländern auch mit Niederlassungen und Vertretungen angesiedelt. Wie kam es zur Gründung der Dipsol Europe GmbH? Und warum gerade jetzt?
Michael Barz: Dipsol hat sich in den vergangenen Jahren die Position des Marktführers im Bereich der funktionellen Oberflächentechnik in Japan erarbeitet. Auch im übrigen asiatischen und amerikanischen Markt haben wir uns stark entwickelt. Die Forderung der Automobilindustrie nach der weltweiten Verfügbarkeit von Produkten, die in Freigaben bzw. Spezifikationen gelistet sind, hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Nachdem sich in der Vergangenheit die Distribution der Produkte über Handelspartner im europäischen Raum nur in einem beschränkten Rahmen entwickelt hatte, hat sich unser japanisches Mutterhaus für die Investition in ein eigenes Vertriebs- und Servicezentrum mit Sitz in Düsseldorf entschieden. Der Zeitpunkt der Gründung im Juli des vergangenen Jahres ist aus heutiger Sicht sehr passend gewesen. So gab es doch vor allem im Bereich der großen Fachfirmen einige Veränderungen.
Bedeutet das „Europe“ in Ihrem Firmennamen, dass Sie von Düsseldorf aus nicht nur den deutschen, sondern den gesamten europäischen Markt – oder bestimmte Teile davon – betreuen?Unser Anspruch ist es, den gesamten europäischen Markt bedienen zu können. Jedoch liegt die Prämisse zum jetzigen Zeitpunkt klar auf dem deutschsprachigen Raum und die direkt angrenzenden Länder. Mittelfristig ist geplant, in den wichtigsten europäischen Märkten Vertriebsniederlassungen zu gründen und Dipsol in Europa zu etablieren.
Bitte erzählen Sie uns noch etwas mehr zu Ihrer japanischen Muttergesellschaft. Wo liegen deren Stärken und Schwächen? Was erwarten Sie zum Beispiel an Unterstützung für Ihre Arbeit hier in Deutschland/Europa?
Unsere Muttergesellschaft ist ein privat geführtes Unternehmen, das in der dritten Generation von der Familie Igarashi geleitet wird. Strategische Entscheidungen können entsprechend den Anforderungen des Marktes schnell und konsequent umgesetzt werden. Die Produkte aus dem Mutterhaus sind ausnahmslos bei ausgewählten Partnern getestet worden. Der Hang zum Perfektionismus verbunden mit dem japanischen Ehrgefühl, verbietet es, „halbfertig entwickelte“ Systeme auf dem Markt zu platzieren. Alle Systeme die wir bisher bei Kunden getestet haben, sind auch für den deutschen Markt uneingeschränkt einsetzbar. Die japanischen Spezialisten der einzelnen Systeme, sind bei den ersten Installationen der jeweiligen elektrolytischen Prozesse bei den Kunden mit dabei. Einschränkungen sahen wir bisher nur bei der Kommunikation mit den einzelnen Spezialisten der verschiedenen Systemgruppen. Englisch ist in Japan nicht so verbreitet wie bei uns. Hier haben wir aber schon entsprechend reagiert und 3 japanisch sprechende Mitarbeiter in den verschiedenen Abteilungen für die Dipsol Europe gewinnen können.
Sie haben bei der Eröffnungsveranstaltung der Vorstellung der Automobilindustrie einen sehr breiten Raum eingeräumt. Insgesamt drei Referate widmeten sich der Vorstellung des amerikanischen, des asiatischen und des europäischen Automobilmarktes. Ich schließe daraus, dass Sie zumindest hauptsächlich für die Autobranche tätig sind?
In der Tat beliefern unsere Kunden zum größten Teil die Automobilindustrie und entsprechend wird hier ein großes Augenmerk, auch hinsichtlich der steigenden Anforderungen in die Entwicklung neuer Systeme, gelegt. Aber auch für andere Bereiche wie dem allgemeinen Maschinenbau, der Luft- und Raumfahrt, der Elektronik und weiterer Industriezweige werden Produkte aus dem Produktportfolio der Dipsol eingesetzt.
Bitte umreißen Sie für unsere Leser Ihre Produktpallette.
Im Wesentlichen lässt sich das Produktspektrum unter der Überschrift „kathodischer Korrosionsschutz“ zusammenfassen. Hierzu zählen neben den verschiedenen Vorbehandlungsprodukten, die Zink- und Zinklegierungsverfahren, entsprechende Passivierungssysteme und Nachbehandlungsprodukte zur Einstellung tribologischer Eigenschaften bzw. zur Erhöhung des Korrosionsschutzes. Des Weiteren bieten wir auch Systeme zur chemischen Vernicklung mit mittlerer und hoher Phosphor Einbaurate an.
Die Kanzlerin hat ja gerade bedauert, dass wir in Deutschland die angestrebten 1 Mio. Elektrofahrzeuge bis zum Jahr 2020 nicht schaffen werden, trotzdem wird sich die Automobilität wandeln; Stichworte sind Elektroautos und Brennstoffzelle. Das verlangt auch neue Lösungen bei der Beschichtung. Was sind Ihre Antworten darauf?
Gute Frage! Auch wir haben uns natürlich in der vergangenen Zeit mit dieser Fragestellung intensiv beschäftigt. Momentan gibt es aus unserer Sicht noch keine endgültigen Antworten für die neu in Frage kommenden Schichten. Es gibt ja bereits Beschichtungen bei den bestehenden Elektroautos. Eine enge Zusammenarbeit bzw. Kontakt mit den jeweiligen Systemlieferanten der neuen Komponenten ist aus unserer Sicht ein wichtiger Aspekt für unsere Branche, um zukünftig bei der Lösung bei neuen Herausforderungen an Beschichtungssysteme partizipieren zu können.
Auch über diese, nennen wir sie einmal „neue Mobilität“ hinaus wird es im Automobilbau Veränderungen geben. Wohin wird Ihrer Meinung nach der Trend – auch und vor allem im Bereich Beschichtung – gehen?
Ein wichtiger Aspekt hierbei könnte die Kombination aus weiterhin sehr hohem Korrosionsschutz bei entsprechend niedrigem elektrischen Widerstand der Beschichtungen sein. Auch wird es neue Werkstoffkombinationen vor allem hinsichtlich der Gewichtsoptimierung geben, die hinsichtlich der Kontaktkorrosion neue Herausforderungen mit sich bringen. Aber auch die Anforderung an die Optik hinsichtlich Glanz, Farbe und Gleichmäßigkeit der Beschichtungen werden weiterhin im Fokus der Designabteilungen stehen.
Der Markt für chemische Produkte für die Beschichtungsindustrie ist gut besetzt. Wie wollen Sie vorgehen? Angriff auf breiter Front? Nischenpolitik? Etwas ganz anderes?
Unser Ziel ist es, der Spezialist für den Bereich der funktionellen Galvanotechnik zu sein. Die Grundvoraussetzungen hierfür sind aus unserer Sicht die Fokussierung auf das Kerngeschäft und eine entsprechende Investitionsbereitschaft in Forschung und Entwicklung. Mit dem in Düsseldorf installierten Servicecenter, dem außerordentlich gut ausgestatteten Labor und Technikum und dem sehr erfahrenen Mitarbeiterteam sind wir in der Lage, mit unseren Kunden eine funktionierende und für beide Seiten vorteilhafte Geschäftsbeziehung zu gestalten. Der Fokus liegt hierbei auf einer partnerschaftlichen und intensiven Zusammenarbeit ohne die bürokratischen Hürden eines zu großen Unternehmens.
Was sind Ihre strategischen Ziele, was haben Sie sich für die kommenden Jahre vorgenommen?
Dieses und das kommende Jahr wollen wir unsere Systeme gezielt bei Kunden im Markt platzieren. Mit den hierbei gewonnenen Erfahrungen ist mittelfristig geplant, den europäischen Markt mit weiteren Niederlassungen bzw. Vertriebspartnern auszubauen. Hierfür gibt es von unserer japanischen Mutterfirma bereits ein Commitment für zusätzliche Investitionen, um die Marktposition im Bereich der funktionellen Galvanotechnik effektiv ausbauen zu können.
Wie sind Sie personell ausgestattet?
Unser Mutterhaus hatte von Beginn an die Bereitschaft gezeigt, in ein erfahrenes Team mit entsprechender Erfahrung und Fachwissen für die Unternehmung Dipsol Europe zu investieren. Mit Patrick Rio (Vertrieb), Uwe Lanksweirt (Technik) und Martin Beckmann (Service) wirkten von Beginn an sehr erfahrene Mitarbeiter im Bereich der Galvanotechnik beim Aufbau der Niederlassung mit. Zwischenzeitlich konnte das Team durch Hiroki Nishikawa (Labor), Frau Magilini Paramasivam (Innendienst) und Frau Markéta Pravdová (Key Account) mit 3 Japanisch
sprechenden Mitarbeitern ausgebaut werden. Hierbei möchte ich anmerken, dass auch ich in der Position des Geschäftsführers, wie auch die anderen Kollegen, flexibel bin und wir gerne auch Bereiche der Kollegen im Bedarfsfall abdecken.
Gerade eben haben Sie uns durch beeindruckende Technikräume und Labore geführt. Was können Sie hier für Ihre Kunden leisten?
Wie bereits erwähnt, sind das Labor und das Technikum für die Größe unseres Unternehmens als außerordentlich zu betrachten. Neben den Analysen der Systeme unserer Kunden findet auch eine Qualitätskontrolle von Rohchemikalien und Endprodukten statt. Das Technikum ermöglicht uns, Musterbeschichtungen durchzuführen und bei spezifi schen Anforderungen entsprechende Lösungen in Zusammenarbeit mit unseren Kunden zu erarbeiten.
Und wie werden Sie nun sicherstellen, dass potentielle Kunden auf Sie aufmerksam werden?
Im September sind wir zunächst auf den ZVO-Oberflächentagen in Berlin mit einem Informationsstand vertreten. Dazu gibt es dort zwei Fachvorträge von uns zu den Themen Zinn-Zink-Legierungssysteme und Low-Hydrogen-Embrittlement-Zink-Nickel für die Luft- und Raumfahrtindustrie als Ersatz für Kadmiumoberflächen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Galvanotechnik 8/2017 | Eugen G. Leuze Verlag